Verbklammern und Substantivierungen

Wissenschaftliche Texte müssen nicht unzugänglich oder schwer zu lesen sein. Wissenschaftlich schreiben heißt an erster Stelle, objektiv zu schreiben.

Die deutsche Schriftsprache ist unter anderem von Verbklammern gekennzeichnet. Das heißt, dass man zwischen finites und infinites Verb oder zwischen das Verb und dessen trennbaren Teil ganze Satzteile klemmen muss. Sätze wie "Deutschland wurde intensiv bombardiert im Zweiten Weltkrieg", d.h. Sätze, wo ein Satzteil ausgeklammert wird, so das das infinite Verb nicht am Ende des Satzes steht, sind stilistisch ausgesprochen unelegant. Besseres Deutsch wäre: "Deutschland wurde im Zweiten Weltkrieg intensiv bombardiert." Im Satz "Wir wohnten gestern Abend der Vorstellung bei im Theater" ist im Theater ausgeklammert worden und sieht der Satz so aus, als ob der letzte Satzteil aus irgendeinem Grund betont werden soll. In derartigen kurzen Sätzen ist Ausklammerung nicht üblich.

In Bünting 1996, S. 228 lesen wir dagegen ein Beispiel, wo das Einhalten der Verbklammer den Satz überladen macht:

Die akustischen Signale des Reviergesangs werden, anders als Duftsignale oder optische Reize, nur so lange, wie sie erklingen, wahrgenommen und müssen deshalb von den Männchen unaufhörlich, praktisch ohne Verzögerung in schneller Folge hervorgebracht werden.

Hier könnte man "das Strukturgedächtnis entlasten" (Bünting) und einige Satzteile hinter die Klammern stellen, z.B. so: "Die akustischen Signale des Reviergesangs werden nur so lange wahrgenommen, wie sie erklingen" und "deshalb müssen sie von den Männchen unaufhörlich hervorgebracht werden, praktisch ohne Verzögerung in schneller Folge".

Auch Klammern, die mit Artikeln und Substantiven gebldet werden, sollte man nicht überladen. Häufig ist es dann besser, anstelle eingeklammerter Attribute Relativsatzkonstruktionen zu verwenden.

Beispiel:

Der vom Frühjahr bis in die Sommermonate hinein frühmorgens in unseren Gärten, Feldern und Wäldern als Lockgesang zum Anlocken der Weibchen oder nach der Paarung als Kontaktgesang des Elternpaares der jungen Vögel zu hörende Reviergesang (Bünting, S 226).

Ein derartiges Gefüge sieht zwar sehr wissenschaftlich aus, aber ist kaum noch lesbar zu nennen, weil zu viel Information eingeklammert wurde. Auch diesen Satz sollte man umbauen, z.B. so:

Der vom Frühjahr bis in die Sommermonate hinein frühmorgens in unseren Gärten, Feldern und Wäldern zu hörende Reviergesang, der als Lockgesang zum Anlocken der Weibchen oder nach der Paarung als Kontaktgesang des Elternpaares der jungen Vögel zu hören ist (Bünting, ebenda).

Der deutsche Wissenschaftsstil ist ziemlich nominal, d.h. von Substantiven und Substantivierungen geprägt. Das Verb schreiben wird zu Schreiben, messen wird zu Maß. Aber auch hier gilt die Regel, dass man mit dem Gebrauch von Substantiven und Substantivierungen nicht übertreiben muss. Verbale Gefüge wie "zur Durchführung bringen" (Bünting 1996, S.208), wo der Hauptinhalt vom Substantiv statt vom Verb getragen wird, mögen gelegentlich ihren guten Sinn haben, oft sind sie aber nur das Resultat eines übertriebenen Nominalstils. Verwenden Sie, wenn möglich, lieber das einfache Verb.